Liebe Streuobstinteressierte,
die Liste der Gründe, warum es in deutschen bzw. europäischen Supermärkten nur eine handvoll Obstsorten zu kaufen gibt, sind vielfältig. Zum Teil muss der interessierte Käufer lange nach der Sortenbezeichnung auf der Verpackung suchen. Besonders bei Äpfeln wird nicht mehr viel Wert auf den Sortennamen gelegt.
Auf der anderen Seite wächst das Interesse an alten Obstsorten kontinuierlich. Es werden wieder lokale Sorten, die zum Teil eine regionale Tradition haben, nachgefragt. Verbunden mit diesen alten Sorten sind manches mal sehr spezielle Nutzungen. Da finden sich Birnensorten, die sich über Wochen oder Monate lagern lassen, vielleicht sogar erst nach einer längeren Lagerzeit ihre Genussreife erreichen. Dabei sind Apfelsorten, die sich gar nicht als Tafelobst eignen, dafür aber einen wunderbaren Apfelwein oder Obstbrand ergeben. Auch die Rezepte und Nutzungsformen müssen mit den Sorten zusammen bewahrt werden. In unserer globalisierten Welt ist dies ein Stück Heimat und Tradition, die wir Menschen brauchen um langfristig unsere Identität und unsere Wurzeln nicht zu verlieren.
Zur Hochzeit der Pomologie, so nennt sich die Obstkunde im Fachjargon, im 19. Jahrhundert, gab es in Europa wohl mehr als 4.000 verschiedene Obstsorten (die in der Literatur genannten Zahlen schwanken hier). Verglichen mit den ca. 60 Handelssorten von heute, ist dies eine grandiose Verarmung der Obstanbaukultur. Das Ziel des heutigen Erwerbsobstbaus ist die Produktion hochwertiger Tafeläpfel. Um die Vergleichbarkeit im Preis und der Qualität zu erhalten, gab es in der Vergangenheit ein regelrechtes Ausmerzen von Sorten. Und mit ihnen ging ein Stück lokaler Identität verloren.
Zum Glück leben Obstbäume bis zu 100 Jahre und so finden sich die alten Sorten in Hausgärten nach wie vor. Denn die neuen Sorten sind häufig sehr anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Was im Erwerbsobstbau Gang und Gebe ist, will der Hausgärtner sicher nicht.
 
Denn diese hoch gezüchteten Sorten können ohne regelmäßige Pflanzenschutzmittel keine schönen Äpfel hervorbringen.
Um möglichst viele der alten Sorten zu erhalten, haben sich vielfach regionale Gruppen und Streuobstwiesenvereine gegründet. So auch der Lüneburger Streuobstwiesenverein, der sich 2010 gegründet hat. Neben den Sorten, ist das Kulturland Streuobstwiese auch vielfach ein Grund für den Erhalt. Leben in einer alten extensiv bewirtschafteten Streuobstwiese doch bis zu 3.000 Tier und Pflanzenarten. Arten, die teilweise in unserer industriellen Landwirtschaft keine Überlebenschancen mehr haben.
Ein weiteres Ziel ist der Erhalt von Informationen zu den alten Sorten. Es gibt viele alte und auch neu aufgelegte Bücher über Obstsorten. Dazu hat der BUND Lemgo mit der Veröffentlichung der alten Zeichnungen einen Standard in der Internetveröffentlichung gesetzt. Wir möchten mit dieser Obstsortendatenbank alle Sorten zeigen, die im Landkreis Lüneburg und angrenzenden Gebieten vorkommen.
Sie soll einerseits alle möglichen Informationen zu den z.T. sehr lokal begrenzten Sorten zusammentragen, andererseits auch gerade für den interessierten Laien ein Nachschlagewerk sein, um zu bestimmen, welche Sorte ein geeigneter Kandidat für den heimischen Garten wäre.
Es wäre schön, wenn Sie Informationen zu der einen oder anderen Sorte vielleicht aus eigener Erfahrung zu dieser Sortendatenbank beisteuern können. Wir hoffen, dass wir damit einen kleinen Beitrag leisten können, um die alten Obstsorten langfristig zu erhalten und weiter zu verbreiten.

Dr. Olaf Anderßon